Anbei die kurze Ansprache von Pfarrer Dr. Kaiser, gehalten während der ökumenischen Schulfeiern am 13. 9. 2016, 8. 30 Uhr in der St. Georg-Kirche in Erzingen und dann nochmal frei gehalten während der Einschulungsfeier in der Grießener Mehrzweckhalle, 9. 30 Uhr.
Pokémon Go!
Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Eltern, Geschwister und Großeltern, liebe Lehrerinnen und Lehrer,
ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen: Gestern Nachmittag sitze ich mit einigen betagten Herrschaften beim Seniorencafé im Gemeindesaal unter der Matthäuskirche hier in Erzingen. Wir treffen uns viermal im Jahr zum Gedankenaustausch, wir trinken Kaffee und singen Volkslieder. Da sehen wir durch die Fensterscheiben, wie drei Jugendliche ihre Fahrräder den kleinen Berg hoch schieben, ihre Mountainbikes parken und die Treppe zur Kirche hochgehen. „Aha!“, meinen die Senioren, „die wollen wohl heimlich eine rauchen?“ Was wäre besser dafür geeignet als unser Kirchenvorplatz, da sieht einen keiner. Und einer aus der Seniorenrunde möchte gleich hingehen und die Jugendlichen verjagen. Ich werfe in den Raum: „Also, das glaube ich kaum, dass die rauchen wollen, ich weiß, was die hier machen.“ Jetzt gebe ich die Frage weiter an Euch: Was haben die drei Jungs mit ihren Fahrrädern wohl gestern bei uns vor der Kirche gewollt? Was meint Ihr? Also, geraucht haben sie nicht. Als ich sie zur Rede stellte: „Hey, Jungs, zieht Ihr heimlich eine durch?“, da haben sie fast erbost geantwortet: „Aber nein, Herr Pfarrer Kaiser! Was denken Sie von uns - wir laden hier nur unsere Spiele auf!“ Und was haben sie gespielt? Richtig: Pokémon Go! Kennt Ihr, oder? Darf ich fragen, wer das von Euch spielt? Aha, doch einige… Also, meine Frau spielt Pokémon mit großer Leidenschaft. Sie ist auf Level 12, sie fängt seit Erscheinen des Spiels alles, was bunt ist und fliegt. Jetzt mal im Ernst: Wer von Euch weiß gerade nicht, wovon ich rede? Ihr höheren Semester vielleicht, die Omis und Opis? Also, ich erklär´s Euch kurz: Pokémon Go ist ein Spiel an der frischen Luft, das man auf dem iPhone oder auf dem iPad spielen kann und mit dem man auf die Jagd nach virtuellen Fantasiewesen geht, kleine putzige, bunte Monsterchen. Pokémons umgeben uns, sind unsichtbar und mit dem Handy und dem Programm können sie sichtbar werden. Das Bemerkenswerte: Vor unserer Matthäuskirche ist ein Hotspot, ein sog. Pokéstop, wo man sein Pokémon-Konto wieder aufladen kann, auch in Grießen haben wir vor der Lukaskirche einen solchen Spot. Deshalb, weil hervorgehobene Gebäude, Sehenswürdigkeiten und Wahrzeichen für die SpieleWelt genutzt werden. Fünf Millionen Pokéstops gibt es weltweit, das Spiel ist sehr beliebt. Als es `rauskam, sind die Server sind reihenweise zusammengebrochen, weil alle Welt gespielt hat, 21 Millionen aktive Nutzer derzeit. Gespielt wird an der frischen Luft im Gehen, über Bewegung und Geschicklichkeit können die Spieler Punkte machen. Gewonnen hat, wer am meisten Pokémons gefangen hat - der wird mit `Bonbons´ und `Sternenstaub´ belohnt und kommt ein Level höher. Falls Sie´s noch nicht kennen - unbedingt mal ausprobieren oder sich zeigen lassen! Jedenfalls ist es gestern so gewesen, dass die drei 12jährigen meiner Einladung gefolgt sind. Die Jungs sind mit `runter ins Seniorencafé gekommen und haben den anwesenden älteren Leuten gezeigt, wie Pokémon Go geht. Und tatsächlich, Ihr werdet ´s kaum glauben, aber es ist wahr: Unter meinem Stuhl hat ein Pokémon gesessen, so ein kleiner, oranger, fliegender Gesell! Den hat der eine Junge dann gefangen. Da ist dann nochmal richtig Stimmung aufgekommen bei den Senioren! Könnt Ihr Euch vorstellen, oder? An dieser kleinen Geschichte könnt Ihr erkennen, wie sich die Zeiten gewandelt haben. Als Eure Eltern und Großeltern zur Schule gegangen sind, da hat es keine Handys gegeben und die Computer sind erst aufgekommen, die waren selten. Niemand hat damals daran gedacht, dass es zwanzig, dreißig Jahre später Spiele gibt, in denen virtuelle Wesen herumfliegen, die man fangen muss, weil das Spaß macht. Hätte man uns das damals erzählt… - oder? Denken Sie auch, oder? Wir haben damals auch nicht solche Schulranzen wie heute gehabt, solche Mercedes Benz. Unsere sind nicht so schön gewesen wie diese hier vorne. Unsere sind etwas schlichter gewesen. Ich habe Ihnen meinen von damals mal mitgebracht. Meine Mutter hat ihn viele Jahre für mich aufbewahrt. (Ich hole meinen schlichten braunen Tornister hervor und zeige ihn.) Daran sieht man übrigens auch, wie sich die Zeiten geändert haben… Es ist beruhigend, dass sich die Schule geändert hat im Vergleich zu früher. Es geht heute in der Pädagogik - zumindest in der Grundschule - spielerischer zu als zu Ihren und zu meinen Zeiten. Sicher, das schönste an der Schule sind immer noch die Ferien, vor allem die großen Sommerferien, die gerade hinter uns liegen. Das ist heute noch genau wie früher. Aber im wesentlichen ist die Schule vor 40 Jahren nicht so freundlich gewesen wie heute. Und Ihre und meine Kindheit ist auch ein bisschen anders gewesen damals. Das Schulsystem hat sich zwar geändert - aber die Schulranzen sind geblieben. Und die Sehnsucht - die Sehnsucht ist geblieben: die Sehnsucht nach dem lieben Gott und nach seinen geflügelten Wesen, nach guten Mächten, die uns beschützen. Ihr wisst bestimmt, wie solche geflügelten Wesen heißen? Wer von Euch Erstklässlern weiß, wie so ein geflügeltes Wesen heißt - nicht Bengel, sondern: Richtig, Engel! Wir beide, Pfarrer Mitzkus und ich, wünschen Euch, dass Euch auf Eurem Weg zur Schule und wieder zurück ein Schutzengel begleiten möge. Und auch sonst in Eurem Leben. Dafür beten Mama und Papa und Oma und Opa heute, an diesem wichtigen Tag für jeden von Euch, und dafür beten auch wir. Und als Zeichen habe ich meinen alten Schulranzen - meinen Tornister, wie wir damals gesagt haben - gefüllt und jeder von Euch darf gleich mal hineingreifen. Da drinnen sind nämlich Schutzengel - kleine reflektierende Engel für Eure Schulranzen, damit Ihr im Straßenverkehr gut gesehen werden und Ihr sicher gehen könnt. Wir beide wünschen Euch an dieser Stelle alles Gute, nette Mitschüler und freundliche Lehrerinnen und Lehrer, die Eure individuellen Begabungen auch erkennen und die Euch fördern und Euch Lesen und Schreiben beibringen, und wir wünschen einem jeden von Euch: Gottes Segen! Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.