Glauben
Liebe Leserin, lieber Leser,
über nichts ist vermutlich mehr gestritten worden als über den Glauben. Jeder Mensch hat einen Glauben bzw. eine Überzeugung, und wer behauptet, sie oder er hätte keine christliche Überzeugung, hat meist eine andere.
Seit der Reformation gibt es die evangelische Kirche. Luther und seine Mitstreiter*innen wollten die damalige römisch-katholische Kirche reformieren und Missstände wie Korruption und Missbrauch beseitigen. Dazu beriefen sie sich auf die Bibel (`sola scriptura´ = allein durch die Schrift). Christinnen und Christen sollte sich in ihrem Leben wieder mehr an der Heiligen Schrift orientieren und ihr Leben daran messen lassen. Aus der Reformation heraus kam es zur Gründung einer eigenen Kirche, als deren Gründungsdatum der 31. Oktober 1517 gilt. Ein eigenes Bekenntnis entwickelte sich, das sich von althergebrachten Überzeugungen verabschiedete: der Protestantismus entstand.
Luther verabschiedete sich von bisherigen traditionellen mittelalterlichen Vorstellungen im Blick auf Gott, Jesus Christus und den Heiligen Geist.
Luther hielt nichts von einem strafenden Gott, sondern verkündigte einen Gott der Liebe. Luther vertrat die Ansicht, dass der Mensch so bei Gott angenommen ist, wie er ist - ohne besondere Leistung zu erbringen. Der Mensch lebt allein durch Gnade (lat. `sola gratia´ = allein aus Gnade). Und Gnade kann man nicht kaufen, sondern bekommt sie von Gott geschenkt.
Als römisch-katholischer Mönch und Gelehrter gelangte Luther zu der Erkenntnis, dass in der Bibel keine Rede von einem Papst war, erst recht nicht als Oberhaupt der Kirche. Für ihn stand allein Christus im Zentrum des Glaubens (lat. `solus Christus´ = allein Christus). Es brauchte außer ihm keine weiteren Mittler zu Gott. Deshalb gibt es in der evangelischen Kirche auch keine Heiligen, die vom sündigen Menschen angerufen werden, um Gott gnädig zu stimmen.
Der Heilige Geist ermöglicht jeder getauften Christin und jedem getauften Christen, die Bibel zu lesen und zu verstehen und das Gelesene auf sich wirken zu lassen (lat. `sola fide = allein aus Glauben). Luther ging dadurch in die Geschichte ein, dass er die das Alte und das Neue Testament ins Deutsche übersetzte, damit es jeder Mensch lesen, verstehen und danach leben konnte.
Luther gelangte durch seine Erkenntnisse zu gewissen Konsequenzen. So änderte er die Zahl der Sakramente, also der Handlungen, die besonders heilig sind bzw. die Jesus selbst begründete. Anstelle von sieben Sakramenten, die die römisch-katholische Kirche kennt (Taufe, Abendmahl, Beichte, Firmung, Eheschließung, Krankensalbung und Priesterweihe), reduzierte Luther die Sakramente auf zwei: Taufe und Abendmahl. Auch darin orientierte sich Luther an der Bibel; deshalb wird in der evangelischen Kirche allen Gläubigen Brot und Wein gereicht.
Luther war die Freiheit wichtig. Und er berief sich nicht mehr auf Autoritäten bzw. auf die kirchliche Tradition, sondern ausschließlich auf sein Gewissen. Auf diesem Hintergrund gelangte er auch zu der Überzeugung, dass nicht nur Priester wegen ihrer Lebensführung Gott besonders nahe sind, sondern alle Getauften. Aufgrund dieses `Priestertums aller Gläubigen´, wie er es nannte, war ein besonderer Lebenswandel Geistlicher nicht mehr erforderlich und Pfarrer durften heiraten und eine Familie gründen.
Luther war es ein Anliegen, dass verstanden wurde, was im Gottesdienst gesagt wurde. Deshalb sorgte er dafür, dass Gottesdienste nicht mehr auf Latein, sondern in der Landessprache stattfanden.
Seit Luther hat sich nicht nur die evangelische, sondern auch die römisch-katholische Kirche verändert. Im Wesentlichen sind die Unterschiede in der Lehre zwischen den beiden großen Konfessionen, dem römisch-katholischen und dem evangelischen Bekenntnis, in Deutschland spätestens seit der Unterzeichnung der `Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigung´ im Jahre 1999 durch führende Vertreter der Kirchen beseitigt worden. Im Klettgau klappte die Ökumene in den vergangenen Jahren und klappt bis heute sehr gut, und es gibt Zeichen der Hoffnung, dass das auch in den kommenden Jahren so bleiben wird.
Die Evangelische Kirchengemeinde lädt alle Interessierten ganz herzlich ein, am Leben der Kirchengemeinde teilzunehmen. Denn letztlich zählen nicht die konfessionellen Unterschiede, sondern, wie schon der Apostel Paulus sagte: „… Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ (1. Kor 13, 13).
Die Evangelische Kirchengemeinde Klettgau lädt alle Interessierten ganz herzlich ein, am Leben der Kirchengemeinde teilzunehmen. Denn letztlich zählen nicht die konfessionellen Unterschiede, sondern, wie schon der Apostel Paulus sagte: „… Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ (1. Kor 13, 13).
Das verbindet die Mitglieder der evangelischen Kirche: der Glaube daran, dass das Licht in der Finsternis scheint und sich das Gute in der Welt trotz allen Widerstreits letztendlich durchsetzen wird. So ist der Glaube vor allem auch ein Vertrauen darauf, dass es etwas gibt, das größer ist als man selbst und höher denn alle Vernunft. Glaube ist das Vertrauen darauf, sich getragen wissen zu dürfen, selbst, wenn man an eigene Grenzen stößt. Keiner glaubt für sich allein: Der Glaube ist eingebunden in eine Gemeinde der Glaubenden. Die evangelische Kirche hat kein Lehramt, auch keine Dogmatik. In der evangelischen Kirche bestehen mehrere Meinungen nebeneinander und es wird gerne diskutiert: Ihre Mitglieder verbindet, dass der richtige Weg nach der Wahrheit immer wieder von Neuem gesucht wird. Dazu gehört, falls nötig, dass immer wieder auch um den Glauben gestritten werden muss.
Klettgau, am 4. August 2021
Dr. Thomas O. H. Kaiser, Pfarrer